Große Resonanz beim ersten Bürgerdialog zum Thema Verkehr
Am 1. März stellte sich Dr. Thomas Nitzsche beim ersten Bürgerdialog den Fragen der Jenaer Bürger zum Thema Verkehr. Trotz der relativ kurzfristigen Einladung über die Zeitung war die Resonanz groß und das Thema schien den Bürgern unter den Nägeln zu brennen.
Im ersten Teil des Abends präsentierte Dr. Nitzsche eine Diagnose der aktuellen Situation samt Vorschlägen zur Veränderung. An vielen Fronten würde in Jena schon länger sehr knapp geplant werden. Was früher die KITA-Plätze und dann die Schulen waren, sind momentan der Wohnraum und die Infrastruktur. Die Problemlage bei der Infrastruktur wurde von Seiten der Stadt lange geleugnet. Deshalb habe Dr. Nitzsche den Beirat KFZ-Verkehr gegründet, um auf die Probleme in diesem Bereich aufmerksam zu machen. Es ginge darum, kleine Stellschrauben wie Ampelschaltungen zu drehen, aber auch große strategische Linien zu entwickeln. In der Verwaltung sei seit fünfzehn bis sechszehn Jahren eine Politik gegen das Auto gemacht worden. Vom Verkehrsentwicklungsplan aus dem Jahr 2002 seien von den 13 geplanten Maßen keine einzige realisiert worden, die eine Erweiterung der Infrastruktur zur Folge gehabt hätten. Die Behinderung oder gar Verdrängung des KFZ-Verkehrs habe in Jena Methode.
Die Schnellstraße wurde verampelt. Eine Brücke wurde an einer Stelle so lange vernachlässigt, bis sie abgerissen und durch eine Ampel ersetzt werden konnte. Sogenannte Pförtnerampeln, die eine grüne Welle und ein schnelles Befahren der Innenstadt verhindern, seien absichtlich eingerichtet worden. Die Verkehrsplaner befürchten einen kontinuierlichen Ansturm auf die Stadt. Dr. Nitzsche möchte demgegenüber das Thema Verkehr von Anfang an anders denken. Die Parkplatzsuche müsse vereinfacht werden. Wenn sich die Autos in der Stadt schneller und einfacher verteilen würden, müsste keine absichtliche rote Welle eingeführt werden. Es ginge darum, die Haltung in der Verkehrsplanung zu ändern. Momentan würde davon ausgegangen werden, das bis 2050 überhaupt keiner mehr Auto fährt. Alle Wege würden nur noch zu Fuß oder mit Fahrrad bzw. dem öffentlichen Nahverkehr erledigt werden. Für Dr. Nitzsche wird es aber auch in Zukunft immer Gründe geben, warum Menschen das Auto brauchen. Er kritisierte, dass bei der Diskussion um die Mobilitätsleitlinien die Verwaltung in den letzten drei Jahren immer wieder ihren eigenen politischen Willen gegen die gewählten Vertreter des Stadtrats durchsetzen wollte. Sie hatte zum Glück oft keinen Erfolg damit. Aus einer kleinen Arbeitsgruppe ist eine Präambel entstanden, die für Dr. Nitzsche Leitlinien für eine zukünftige Verkehrspolitik darstellen kann. Es wurde in den letzten Jahren viel für den Radverkehr, den öffentlichen Nahverkehr und den Fußverkehr getan. Nun müsse aber auch das Auto wieder nachziehen. Jena brauche ein Straßenhauptnetz, welches als Rückgrat der Stadt funktioniert. Dazu müsse der Ausbau der Nord-Süd sowie der Ost-West Verbindung kommen, sowie ein geschlossener Innenstadtring durch den Bau der Westtangente. Auch die Wege von und zum Beutenberg müssen ausgebaut werden, ggf. mit einer Straßenbahnanbindung. Heute sei es so, dass wenn es an einer Stelle klemmt, dann liegt die ganze Stadt lahm. Die Fehler in der Verkehrspolitik könne man nicht in zwei Jahren zurückdrehen, aber man müsse jetzt anfangen, die Ausrichtung zu ändern.
Im zweiten Teil konnten die anwesenden Bürger Fragen stellen und die Vorschläge von Dr. Nitzsche kommentieren. Als erste Rückmeldung wurde gesagt, dass es schön sei, dass sich endlich jemand Gedanken über dieses Thema mache. In der Innenstadt müsse endlich etwas passieren. Nun bestehe beim Bachstraßenareal eine einmalige Chance, die für die Westtangente genutzt werden müsse. Hoffentlich verpenne die Stadt diese Chance nicht. Ein zweiter Besucher verwies darauf, dass besonders ältere Menschen auf das Auto angewiesen sind. Wenn sie nicht mit dem Auto in die Innenstadt kommen könnten, wäre sie tabu und für sie nicht zu erreichen. Die Älteren mit Krücken seien eine wachsende Bevölkerungsgruppe in Jena, die in die Überlegungen der Verkehrsplaner einbezogen werden müsse. Es wurde auch die Parkplatzsituation in der Innenstadt angesprochen und der Wunsch geäußert, dass dort Stellplätze in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt werden. Man wünsche sich einen zentralen Baustellenkoordinator, damit nicht immer der ganze Verkehr der Stadt lahmliege, wenn mehrere Baustellen empfindliche Knoten gleichzeitig blockieren. Ein Bürger erklärte, dass ihm die aktuelle Entwicklung in Jena Angst mache und er an Wegzug denke. Man bekomme durch die Schwierigkeiten, mit dem Auto durch die Stadt zu kommen, Familie und Beruf nicht mehr unter einen Hut. Die berufliche Situation ändere sich heutzutage regelmäßig, so dass man nicht immer in Lauf- oder Fahrradentfernung zur Arbeit wohnen könne. Es sei ein Irrglaube der Verkehrsplaner, dass alles mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichbar sei. Der Wunsch nach einer besseren Anbindung der Fuchslöcher und des Schlegelsbergs wurde geäußert. Mehrere Bürger beklagten die Stagnation in Sachen Infrastruktur. Die Verlängerung der Wiesenstraße würde sich immer mehr hinziehen und ein zu erwartendes Verkehrschaos billigend in Kauf genommen. Die meisten Besucher waren positiv überrascht von der Diskussionsrunde und freuten sich, dass Dr. Nitzsche sich dieses wichtigen Themas angenommen hat.